Prüfungen
Rechtliche Fragestellungen  
Aufsatzerstellung  




Tipps zur Bearbeitung von Aufgabensätzen mit rechtlichen Fragestellungen
Autor: Assessor Ulrich Maurer


Wenn man als Korrektor der Aufgabensätze von Fernstudiengängen - besonders wenn man auch noch Autor ist - an die Korrekturarbeit geht, dann möchte man der Mühe und dem Fleiß der "Verfasser" der Arbeiten so gut es geht gerecht werden. Jede gute Leistung freut den Korrektor und jede schlechte bringt ihn zum Grübeln, ob es im betreffenden Studienbrief nicht doch noch etwas zu verbessern gäbe. Besonders schmerzt es den Korrektor, wenn er sieht, dass die Punktzahl, die er vergibt, möglicherweise nicht dem Kenntnisstand des "Verfassers" der Arbeit entspricht. Womöglich hat der Bearbeiter dadurch Punkte verloren, dass er Ausführungen aufgrund mangelnder Arbeitstechnik nicht gemacht hat, zu denen er jedoch wissensmäßig in der Lage gewesen wäre.

Auch die Erfahrung aus Seminaren mit Fernstudierenden bestätigt, dass viele über ihre Ergebnisse - gelinde gesagt - erstaunt sind. Nach Erarbeitung dessen, was im folgenden sehr kurz zusammengefasst dargestellt ist, können die Fernstudierenden aber in einer Art "Aha-Erlebnis" begreifen, wo ihre Punkte auf der Strecke geblieben sind. Im Folgenden nun einige Ratschläge zur Bearbeitung von Aufgaben aus dem Bereich Recht.


Bevor Sie mit der Bearbeitung beginnen, lesen Sie den Aufgabentext genau durch und machen Sie sich klar, was im beschriebenen Fall eigentlich los ist. Oft hilft eine Zeichnung, um den Fall übersichtlich darzustellen und ihn bei der Beantwortung der Fragen immer vor Augen zu haben.

Lesen Sie dann die einzelnen Fragen und machen Sie sich klar, was Sie tun sollen. Machen Sie das bitte mit allen gestellten Fragen, bevor Sie mit der Bearbeitung der ersten Frage beginnen. Oft wird aus den weiteren Fragen deutlich, was der Aufgabenersteller bei den einzelnen Fragen als Antwort hören will. Mitunter gibt auch der Aufbau der Fragen Hinweise zur Lösung.

Beachten Sie die Taxonomie: Nennen, aufzählen, entscheiden, erläutern, begründen, etc.. Das hilft bei der oft nicht ganz einfachen Frage, wie viel man schreiben und wie weit man ausholen soll.

Erfüllen Sie die gestellte Aufgabe vollständig! Wenn z. B. die Erläuterung gefragt ist, wer von den im Fall genannten Personen Besitzer ist, reicht es nicht aus, die Personen zu benennen, die Besitzer sind und das zu begründen. Es sind auch diejenigen mit Erläuterung zu versehen, die nicht Besitzer sind.

Wenn Sie eine Begründung aufbauen, muss eine logische Kette entstehen. Legen Sie also alle Denkschritte dar, die erforderlich sind, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen, wenn sie im Einzelfall auch noch so banal sind.
Beispiel: Wenn im Aufgabentext steht: "Die 14jährige Susi Lang kauft 10t Gummibärchen ..." und Sie sind der Ansicht, für die Fallbearbeitung sei es von Bedeutung, dass Susi beschränkt geschäftsfähig ist, so dürfen Sie nicht einfach schreiben: "Susi ist beschränkt geschäftsfähig" oder "Susi ist beschränkt geschäftsfähig, weil sie 14 ist." Die lückenlose Begründung lautet: "Susi ist beschränkt geschäftsfähig, da sie mit 14 Jahren das siebte Lebensjahr vollendet hat, aber nicht das achtzehnte."

Wenn für das Vorliegen eines Zustands fünf Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dann müssen Sie auch alle fünf Voraussetzungen prüfen. Beispiel: Verzug ist die zu (1) vertretende (2) Nichtleistung trotz (3) Fälligkeit, (4) Mahnung und (5) Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Zu allen fünf Punkten sind Ausführungen zu machen.

Wenn Sie eine Behauptung aufstellen, dann müssen Sie sie auch begründen, es sei denn, der Aufgabentext unterstellt etwas.
Beispiel: Wenn es Ihrer Meinung nach darauf ankommt, dass; der Y ein Kaufmann ist, sähe das so aus: Im Aufgabentext steht: "Der Kaufmann Y macht ...", so wird die Kaufmannseigenschaft unterstellt und Sie brauchen nicht zu begründen, warum Y Kaufmann ist.
Steht im Text aber: "Der Bananengroßhändler Y macht ...", so müssen Sie erklären, warum Y ein Kaufmann ist, wenn Sie ihn als solchen bezeichnen.

Hüten Sie sich vor "Schubladendenken"! Nicht immer, wenn in einer Aufgabe jemand 14 Jahre alt ist, spielt für die Falllösung seine beschränkte Geschäftsfähigkeit eine Rolle.

Stellen Sie in der Lösung klar, wovon Sie sprechen! Der Satz "Der Vertrag ist unwirksam" bringt keine Punkte, wenn in der Aufgabe mehrere Verträge vorkommen und Sie, wie hier, nicht sagen, von welchem Vertrag Sie sprechen. Das gleiche gilt, wenn Sie schreiben: "Die Forderung erlischt" und es gibt im vorliegenden Fall mehrere Forderungen.

Schreiben Sie vollständige Aussagen!
Beispiel: "Eine bewegliche Sache übereignet man durch Einigung und Übergabe." Einigung über was? Was soll übergeben werden? Es gibt weder eine Einigung noch eine Übergabe an sich. Richtig lautet der Satz also: "Eine bewegliche Sache übereignet man durch Einigung über den Eigentumswechsel und Übergabe der Sache." Wenn Sie es nicht glauben, lesen Sie doch in § 929 BGB nach! Sie vermeiden somit auch Fehler. Mitunter liest man den Satz: "Eine Forderung wird übertragen durch Einigung über den Forderungsübergang und Übergabe." Hätte man hier geschrieben, was übergeben werden soll, hätte der "Verfasser" bemerkt, dass hier schlicht und einfach nichts zum Übergeben vorhanden ist.

Schreiben Sie am Ende der Lösung einen Antwortsatz und prüfen Sie, ob er die Antwort auf die gestellte Frage darstellt. Unter mancher Aufgabenlösung steht ein Antwortsatz, der zwar inhaltlich richtig ist, aber keinen Bezug zur gestellten Frage hat. Das gibt natürlich keine Punkte. Sonst könnte die Aufgabe ja gleich lauten: "Schreiben Sie, was Sie wissen!"

Nach diesen Ausführungen bleibt zu hoffen, dass die Bearbeitung von Aufgaben mit rechtlichen Fragestellungen jetzt besser "von der Hand geht" und die "Verfasser" dies auch an den künftigen Bewertungen erfahren können.


Entnommen aus: "Fernstudien aktuell" Nummer 37 (7/1999)


 Kopf der Seite